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Erschienen am
5.5.2022

5 Dinge, die wir für unsere Kommunikationsprojekte von Patient:innen gelernt haben

Susanne Körtel

In Gesprächen mit Patient:innen haben wir erfahren, dass sie im Laufe der Patient Journey häufig eine diagnostische und therapeutische Odyssee erleben und sich oft alleingelassen und nicht ausreichend sowie individuell informiert fühlen. In den Projekten, die wir zusammen mit unseren Pharmakund:innen umsetzen, streben wir gemeinsam hochwertige Information zu Erkrankungen an. Doch was ist davon für die Patient:innen wirklich nützlich?

Von der Broschüre über Informationswebsites bis zur Kampagne, von der Patient:innen-Tagung bis zum Advisory Board: In den letzten Jahren haben wir gemeinsam mit unseren Kund:innen zahlreiche Kommunikationsprojekte mit der Zielgruppe „Patient:innen“ durchgeführt und dabei 5 Learnings identifiziert.

1. Informationen müssen verständlich sein

Bei der initialen Anwendung eines Arzneimittels, im Anwendungsverlauf und am Therapieende ergeben sich immer wieder neue Fragen, die es für die Patient:innen zu beantworten gilt. Gerade zu Beginn einer Therapie sollte nicht vernachlässigt und mit Fingerspitzengefühl darauf geschaut werden, dass sich die Patient:innen möglicherweise in einem Schockzustand befinden und mündliche Informationen nicht ausreichend verarbeitet werden und einfach an ihnen „vorbeirauschen“. Daher ist es ein großer Vorteil, wenn Ärzt:innen oder Apotheker:innen ihnen schriftliche Unterlagen bereitstellen oder die Patient:innen auf Websites zum Nachlesen verweisen können. Die pharmazeutische Industrie kann hier einen guten Service und Mehrwert bieten, indem sie medizinischem Fachpersonal entsprechendes Material zur Verfügung stellt. Das erleichtert die Informationsweitergabe an die Patient:innen.  

Vor einer solchen Materialerstellung ist es wichtig, die Patient:innen-Zielgruppe mit Alter, Vorwissen, Herkunft & Co. genau zu analysieren. Häufig ist es vorteilhaft, mehrere Kanaloptionen, mehrsprachige Unterlagen oder je nach Zeitpunkt der Patient Journey unterschiedliche Informationsmaterialien (z. B. neu diagnostiziert vs. Dauertherapie) zur Verfügung zu stellen, um alle Patient:innen dort zu erreichen, wo sie gerade stehen.

Einfache Sprache, große Schrift und ausreichende Kontraste sind einige Basics, die beachtet werden sollten, damit die Materialien möglichst barrierearm und laienverständlich sind.  

2. Informationen müssen vertrauenswürdig sein

Nicht erst seit der Corona-Pandemie nehmen wir wahr, dass Recherchen zu medizinischen Informationen bei Betroffenen und Angehörigen zugenommen haben – aber auch die Skepsis gegenüber bestimmten Themen ist gestiegen.

Manchmal ist nicht direkt ersichtlich, welche Quelle seriös ist. Bei medizinischen Websites gibt es seit vielen Jahren die Gütesigel HON und afgis, die den Lesenden bestätigen, dass die Anbietenden der Website bestimmte Transparenz- und Qualitätskriterien erfüllen.

Durch größtmögliche Transparenz und Ausgewogenheit kann die pharmazeutische Industrie mit sorgfältig erstellten Materialien dazu beitragen, ernst genommen zu werden. Dass medizinische Informationen evidenzbasiert, aktuell und möglichst unabhängig sind, sollte dabei selbstverständlich sein.

3. Studien-Kommunikation ist wichtig

Es liegt in der Natur der Sache, dass Patient:innen zu neuen Therapiemöglichkeiten informiert werden möchten. Oft ist es aber Zufall, dass Patient:innen gerade dort in Behandlung sind, wo auch eine passende Studie läuft.

Daher wünscht sich z. B. auch die „Krebskriegerin“ Susanna Zsoter, dass die Pharmaindustrie dafür sorgt, Informationen zu neuen Studien weitreichender zu verbreiten, damit Patient:innen auf ihre lebensrettende Therapie aufmerksam werden können. Eine zielgerichtetere Studien-Kommunikation kann der Schlüssel sein, um langwierige Rekrutierungsphasen zu verkürzen, mehr Ärzt:innen als Unterstützer:innen zu begeistern und so letztlich mehr Patient:innen die Chance auf neue Therapieoptionen zu eröffnen.

Zum Beispiel schließt als unabhängiges Rechercheportal für Krebspatient:innen, die von neuen Wirkstoffen und Therapien profitieren möchten, das Start-up iuvando seit einiger Zeit diese Lücke. iuvando kann kostenlos von Patient:innen mit einer personalisierten Suche nach passenden klinischen Studien beauftragt werden.

4. Aufklärung zu Nebenwirkungen ist wichtig

Beim Umgang mit Nebenwirkungen wünschen sich Patient:innen eine stetige Aufklärung und größtmögliche Transparenz. Denn ein gutes Erwartungsmanagement und frühzeitiges Eingreifen kann die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.

Gerade die onkologische Therapie ist ein Paradebeispiel für den Mehrwert, den die Zusammenarbeit mit pharmazeutischem Personal als persönliche Therapiebegleiter:innen bietet. In den letzten Jahren ist z. B. die Anzahl an oralen Krebsmedikamenten enorm angestiegen. Einerseits ist die Art der Einnahme sehr komfortabel und zeitsparend für Patient:innen, andererseits sind sie mit einer höheren Eigenverantwortung und der Gefahr arzneimittelbezogener Probleme wie unerwünschten Wirkungen oder Medikationsfehlern behaftet.  

Ein konkretes Beispiel, wie damit vorbildlich umgegangen wird, ist die von der Stiftung Deutsche Krebshilfe geförderte Versorgungsforschungsstudie AMBORA des Comprehensive Cancer Centers Erlangen-EMN des Universitätsklinikums Erlangen. Sie zeigte, dass Patient:innen mit einer oralen Krebstherapie davon profitieren, wenn sie während dieser engmaschig begleitet werden. Dies erhöhte nicht nur die Arzneimitteltherapiesicherheit, sondern verbesserte auch deutlich das Wissen sowie Befinden der Betroffenen und es traten weniger unerwünschte Wirkungen auf.

Auf der Website des CCC Erlangen-EMN werden Ärzt:innen und Apotheker:innen kostenlos hervorragend aufbereitete Merkblätter zu möglichen Nebenwirkungen oraler Tumortherapien für die individuelle Aufklärung der Patient:innen zur Verfügung gestellt.

Auch die „Krebskriegerin“ Susanna Zsoter hätte sich in ihrer persönlichen Patient Journey mehr Aufklärung zu Nebenwirkungen gewünscht.

5. Patient:innen kennen ihre Bedürfnisse am besten

In den vergangenen Jahren hat das Thema „Patient Centricity“ mehr an Bedeutung gewonnen und viele Pharmaunternehmen haben für die Belange der Patient:innen eigene Abteilungen aufgebaut. So gibt es zum Beispiel im Rahmen von Advisory Boards, Barcamps oder Patient:innen-Tagen mit Selbsthilfegruppen, Patient:innen-Organisationen oder Angehörigen zahlreiche Möglichkeiten, näher an die Zielgruppe heranzurücken und  Wünsche und Bedürfnisse zu erfragen, zu erleben und zu verstehen. Denn es sind die Patient:innen, die ihre eigenen Bedürfnisse am besten kennen. Daher ist es überaus sinnvoll, bei der Erstellung von Materialien für Patient:innen auch genau jene in einen Co-Creation-Prozess zu integrieren.

Als Kommunikationsagentur sehen wir in der direkten Einbeziehung von Patient:innen einen großen Mehrwert. Denn Patient:innen, denen individuell auf sie zugeschnittenes Material oder Maßnahmen mit einem hohen Informationsgehalt zur Verfügung gestellt werden, sind häufig jene, mit besserer Compliance. Und davon profitieren nicht nur die Patient:innen selbst, sondern letztlich auch alle Beteiligten im Gesundheitswesen.

Ein persönlicher Wunsch der Autorin zum Schluss

Die Apotheke ist bis auf einige Ausnahmen der einzige „Vertriebskanal“ für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Patient:innen erhalten dort ihr Medikament und bekommen erneut wichtige Informationen zum Arzneimittel und zur korrekten Anwendung. Die Apotheke hat deshalb einen großen Einfluss und kann einen wesentlichen Beitrag zur Compliance der Patient:innen leisten. Die Realität zeigt aber, dass die Apotheke bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in der Kommunikation der Hersteller häufig vergessen wird.

Es lohnt sich nicht nur, pharmazeutisches Personal zu offensichtlichen Themen wie Arzneimitteln mit erklärungsbedürftiger Applikation oder komplexen Einnahmeschemata zu informieren und zu schulen, sondern auch Informationen zu allen neuen Behandlungsoptionen weiterzugeben. Nicht selten ergibt sich dadurch im Apotheken-Beratungsgespräch die Situation, dass Kund:innen oder Patient:innen, denen bislang keine geeignete Therapie zur Verfügung stand oder die bislang nur OTC-Medikamente eingenommen haben (z. B. Migräne-Patient:innen), an Ärzt:innen verwiesen werden und somit passende(re) Arzneimittel verordnet werden können.

Die Apotheke kann durch eine pharmazeutische Betreuung zudem gut dabei unterstützen, Nebenwirkungen durch eine medikamentöse Supportivtherapie erheblich zu mildern und damit die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.

Quellen:

Dürr P, Schlichtig K, Kelz C, et al. The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents. DOI: 10.1200/JCO.20.03088. J Clin Oncol 2021; 39: 1983–1994.

Susanne Körtel

Susanne Körtel

Susanne Körtel war bis 2022 bei Spirit Link tätig. Als Senior Projektmanagerin lag ihr Fokus auf Pharma-Projekten mit Zielgruppe Ärzt:innen und Patient:innen. Mit 12 Jahren Erfahrung im Agenturgeschäft, 2 Jahren in der öffentlichen Apotheke und 3 Jahren in der Pharmaindustrie im Innen- und Außendienst fällt es der Apothekerin dabei leicht, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Der Zugang aller Menschen zu einer guten pharmazeutischen Versorgung ist ihr ein großes Anliegen, daher engagiert sie sich privat bei der Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen Deutschland e. V.

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Susanna erhielt im Oktober 2015 mit 28 Jahren die Diagnose Darmkrebs und wurde nur zwei Monate später als Palliativpatientin eingestuft. Nach einer Immuntherapie im darauffolgenden Jahr ist ihr gesundheitlicher Zustand heute stabil. Als Bloggerin mit dem Namen „Krebskriegerin“ teilt sie ihre Erfahrungen.

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