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Erschienen am
12.6.2012

FDA Social Media Guidelines: warum Sie nicht länger warten sollten

Heiko Pröger

Ende letzten Jahres hat die FDA eine erste Social Media Guideline verfasst, die viele Erwartungen enttäuscht hat. Was umfasst dieses Dokument, an was arbeitet die FDA momentan und wie sollten Sie sich in Social Media in der Zwischenzeit verhalten? Lohnt es sich, weiter zu warten? Dieser Artikel fasst den aktuellen Stand zusammen und wagt einen Blick in die Zukunft.

Inzwischen hat man sich im digitalen Healthcare-Marketing an den Status quo gewöhnt: Für jede Kommunikationsmaßnahme müssen die Spielregeln mit der eigenen Rechtsabteilung auf Basis betagter Gesetzesschriften wie dem HWG neu definiert werden. Es gibt schlicht kein aktuelles Internet oder Social Media Regelwerk, das den gesetzeskonformen Einsatz digitaler Tools wie Facebook, Twitter, YouTube & Co. in der Kommunikation Richtung Ärzte und Patienten beschreibt.

Hoffnungsträger FDA

Eine universale Lösung zu allen offenen Fragen erhofften sich viele Healthcare-Kommunikateure von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Diese hatte bereits im Jahr 2009 eine öffentliche Anhörung (Webcast, Zusammenfassung) veranstaltet, in der dutzende Marketingexperten sowie Vertreter der Pharmabranche zu Wort kamen und in der Themen mit Klärungsbedarf gesammelt wurden.Um es vorweg zu nehmen: die erhoffte universale Lösung gibt es bis heute nicht und es wird sie vermutlich auch niemals geben. Jedenfalls nicht von der FDA. Denn diese hat nach eigener Aussage gar nicht die benötigten Ressourcen, um so ein großes Thema umfassend zu bearbeiten.Die FDA wird sich vielmehr darauf konzentrieren, einzelne Fragestellungen und Themenkomplexe schrittweise und gründlich zu beantworten. So stehen unter anderem folgende Punkte (sinngemäß) auf der FDA-Agenda:

  • Wie man richtig mit (unverlangten) Fragen zu Off-Label-Anwendungsgebieten der eigenen Produkte umgeht
  • Wie man regulatorische Vorgaben erfüllt, wenn man nur eine begrenzte Textmenge zur Verfügung hat (z. B. bei Twitter und Google AdWords)
  • Wie man falsche Informationen zu den eigenen Produkten im Internet angemessen korrigiert

Erste Ergebnisse

Zum ersten Punkt wurde Ende 2011 eine „Draft Guidance“ entwickelt. Nach mehr als zwei Jahren Entwicklungszeit war dies sozusagen der erste Teil der lang erwarteten Social Media Guidelines der FDA. Offiziell heißt das Dokument „Responding to Unsolicited Requests for Off-Label Information About Prescription Drugs and Medical Devices”. Zu Deutsch: „Wie Sie auf unverlangte Anfragen zum Off-Label-Use von Medikamenten und Medizintechnik reagieren“.

Die Antwort? Sie schreiben dem Fragesteller, dass sich seine Frage auf einen Off-Label-Use Ihres Produktes bezieht und geben ihm Ihre Kontaktinformationen. Wenn er Sie danach kontaktiert, können Sie ihm – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – nach bestimmten Regeln Informationen zum Off-Label-Use Ihres Produktes geben.Der Blogger Jonathan Richman hat die wesentlichen Punkte der Guideline sehr schön in einer Grafik zusammengefasst, und zählt noch einmal alle Regeln auf, die Sie beachten sollten. An dieser Stelle vielleicht ein Hinweis: Weder Jonathan Richman noch wir sind Rechtsanwälte. Das heißt, bevor Sie in irgendeiner Art und Weise tätig werden, lesen Sie bitte die Draft Guidance selbst und sprechen Sie in jedem Fall noch einmal mit Ihrer Rechtsabteilung, um die Rechtsauffassung in Ihrem Haus zu klären.Und noch ein Hinweis: Eine Draft Guidance ist erstmal nur ein Entwurf und selbst wenn sie in dieser Form verabschiedet werden sollte, wäre es keine rechtsverbindliche Schrift. Die FDA sagt lediglich, „wenn sich die Firmen an die Regeln der Guidance halten, dann wird die FDA nicht davon ausgehen, dass die Hersteller Off-Label-Information zum Ziele der Bewerbung eines Off-Label-Uses verbreiten“. Das heißt, es wird immer im Einzelfall entschieden.

Grundlegende Kommunikationsregeln frei nach der FDA

Da sich dieses Dokument wie gesagt nur mit einer einzigen Frage beschäftigt, ist der unmittelbare Nutzwert begrenzt. Dies hat bei vielen Kommentaren große Enttäuschung hervorgerufen. Allerdings geben die 15 Seiten des Dokuments einen Einblick in die Denkweise der FDA, die sich auch auf andere digitalen Kommunikationskanäle und insbesondere auf Social Media übertragen lässt.Aus meiner Sicht lassen sich gewisse grundlegende Kommunikationsregeln bzw. Empfehlungen aus der Draft Guidance ableiten, die möglicherweise als Basis für Ihre firmeneigenen Social Media Guidelines dienen könnten. Diese stehen an mehreren Stellen explizit im vorliegenden Dokument (vor allem auf den Seiten 7–12) und manches habe ich auch zwischen den Zeilen gelesen.Hier die Kernpunkte, die ich sehe:

  • Off-Label-Use: Die öffentliche Verbreitung von Off-Label-Informationen ist verboten. Von Seiten eines Herstellers darf nicht einmal der Anschein eines möglichen Off-Label-Anwendungsgebiets erweckt werden. Nur unverlangte Anfragen dürfen unter den oben genannten Regeln beantwortet werden.
  • Patientensicherheit: Die Patientensicherheit wird von der FDA als hohes Gut angesehen. Wenn die Hersteller diese verbessern können, haben Sie die Unterstützung der FDA. Ein typisches Beispiel ist die Korrektur von falschen Informationen zum eigenen Produkt im Internet. Wenn Sie allerdings die Patientensicherheit gefährden, in dem Sie z. B. Informationen irgendwo im Netz posten, wo sie dann veralten können, wird es kritisch.
  • Wissenschaft vor Marketing: Öffentliche Kommunikation sollte auf einer wahrheitsgemäßen, wissenschaftlichen, ausgewogenen, sachlichen Basis und mit einer sachlichen Tonalität erfolgen (am besten mit Originaltexten aus Journals oder anderen unabhängigen Quellen). Marketing ist per se verdächtig. Am liebsten wäre der FDA, öffentliche Kommunikation erfolgte nicht durch die Marketingabteilung sondern durch Ärzte bzw. Mitarbeiter mit wissenschaftlichem Hintergrund. Die freigegebenen Produktinfos sind relativ sicheres Terrain.
  • Defensives Verhalten: Hersteller sollten sich in ihrer Kommunikation insgesamt defensiv verhalten, also: wenn möglich Dialoge mit Nutzern unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, zurückhaltend auftreten, am besten nur reagieren (z. B. auf Fragen), nicht aktiv mit werblichen Aussagen auftreten, immer nur genau die Frage beantworten und nicht noch mehr unverlangte Informationen liefern etc.
  • Und schließlich sollten alle kommunikativen Maßnahmen sollte sorgfältig protokolliert und archiviert werden.

Und wie geht’s nun weiter?

Nachdem die Erstellung dieses Dokument zu einer Frage nun mehr als zwei Jahre gedauert hat, glauben wir nicht, dass die nächsten „Draft Guidances“ bald vorliegen werden. Wie schon gesagt möchte die FDA die Fragen Schritt für Schritt abarbeiten und dabei keine Fehler machen. Eine zeitliche Vorhersage traut sich die FDA nicht (mehr) zu, nachdem die erste Guidance schon mit erheblichen Verspätungen zu kämpfen hatte.Womit wir wieder am Anfang dieses Artikels wären. Der einzige Weg um in Social Media oder in anderen digitalen Kanälen aktiv zu werden und in einen Dialog mit Usern zu treten, führt über die Ausarbeitung eigener Guidelines, die die oben genannten Grundregeln beherzigen. Dabei sollten Sie mit Ihrer eigenen Rechtsabteilung und gegebenenfalls mit spezialisierten Kanzleien zusammenarbeiten. Es dürfte sich aber aus den genannten Gründen nicht lohnen auf die FDA zu warten.

Heiko Pröger

Heiko Pröger

ist Geschäftsführer Beratung bei Spirit Link. Er ist seit 20 Jahren in der Healthcare-Marketingkommunikation tätig und hat schon viele Trends kommen und gehen sehen. Sein Credo: Strategien ohne Maßnahmen sind langweilig. Maßnahmen ohne Strategie sind der sichere Weg ins Chaos.

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Heiko Pröger

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